Karfreitag und Ostern erinnern an eine Merkwürdigkeit. Erwachen, Neuwerden und Weiterkommen – Erkennen, Verstehen und Reifen gelingt nicht nur durch Freude, Leichtigkeit, Wohlgefühl und Gesundheit. Auch Leid und Mangel an Glück können eine Kraft sein in Liebe und Erkenntnis zu wachsen. So etwas wie Auferstehung, so etwas wie Angstfreiheit, so ein Lebensgefühl, das mit guter Hoffnung über Schmerz und Tod hinausgeht, kann Gewinn sein aus einem schwierigen Lebensabschnitt. Ohne Geburtsschmerz kommt niemand ins Licht. Das ist eine Merkwürdigkeit im Leben, die wohl ihren schärfsten Ausdruck im Kreuz findet. Eine qualvolle Hinrichtungsart wird zum Symbol der Hoffnung.
Die Vorstellung in den Kirchen würde über dem Altar statt eines Kreuzes ein Galgen oder eine Giftspritze hängen, lässt ahnen, wie unerhört und radikal seit Karfreitag und Ostern mühsames Leben verstanden werden kann. Es könnte eine Neugeburt sein, eine Auferstehung, ein Werden ins Licht.
Radikal war nicht selten auch ein Missverständnis des Kreuzes. Menschen fingen an Leid zu verherrlichen, es bewusst zu suchen, sich zu kasteien und zu quälen. Sie fingen an Leid zu benutzen, um Anerkennung und Selbstwert zu steigern, um Gott und Menschen zu gefallen. Sie fühlten sich gut im Verzicht, opferten sich auf und ließen sich bewundern. Lust und Freude war ihnen verdächtig, sich helfen zu lassen fast eine Sünde. Leben musste schwer sein, sonst ist es nichts wert.
So kann man es machen, so machen es Menschen noch heute. Zu empfehlen ist es nicht. Leid muss nicht gesucht werden, sonst wird es zu viel. Es kommt von alleine, schleicht sich ein hin und wieder, weil es zum Leben gehört. Und das reicht. Wenn es kommt, kann man ihm ausweichen wollen, sich dagegen stemmen und kämpfen mit aller Gewalt. In einer Kultur, die nur im Wohlgefühl Sinn vermutet, ist das verständlich.
Ostern erinnert an eine andere Möglichkeit, schwierige Zeiten und Ereignisse zu durchleben ohne Leidenslust, sie anzunehmen mit einem ängstlichen Ja in dem verrückten Glauben, sie könnten einen Wert haben für mein Leben, für mein Werden, es könnte eine Kraft in ihnen wohnen, die mich wachsen lässt an Liebe und Erkenntnis, die mich auferstehen lässt durch Tode hindurch in etwas Neues hinein.
Deutlich wird der Gewinn oft erst in der Rückschau, wenn man es hinter sich hat. Mitten drin im Schlamassel ist es schwer guter Hoffnung zu sein. Aber nicht unmöglich. Sich helfen zu lassen gibt der Hoffnung Kraft.
So mancher verweigert sich hoffnungsvollen Antworten und zieht es vor im Schmerz zu verbittern. Für andere könnte es eine Hilfe sein alle Jahre wieder Ostern erinnert zu werden an das große Werden, in dem wir alle leben, an Vergehen und Auferstehen, denen wir nicht ausweichen können, zu hören von schwierigen Lebenserfahrungen, die zum Gewinn werden können, vom Leid, das nicht ohne Sinn sein muss. Sich diesem Leben zu stellen in all seiner Vielfalt, es nicht zu meiden, sondern zu leben als ginge es um Auferstehung, scheint mir einen Versuch wert. Alles wird neu, immer wieder. So ist es. Frohe Ostern!
Thomas Merx meint
Lieber Klaus, das ist wieder ein sehr schöner und aufbauender Text. Die Passagen von der Kultur, die nur im Wohlgefühl Sinn vermutet, und von den Menschen, die das Leid verherrlichen und jegliche Hilfe ablehnen, finde ich sehr treffend. Ich kenne nicht wenige Menschen, auf die das zutrifft.
Beste Grüße
Thomas
PS: Ich freue mich auf deine nächsten Gedanken.