Leben ist so wie es ist. Es kommt darauf an, wie wir es deuten. Das ist unsere Freiheit. Es wird immer Veränderungen geben gegen unseren Willen, es wird Krisen geben, Wandel, Not und mit Sicherheit den Tod. Wir sind nicht nur Gestalter, wir werden auch gestaltet und können es nicht verhindern. Es geschieht mit uns, warum auch immer. Das ist eine schlichte Wahrheit, nicht selten eine schmerzliche. Aber wir haben die Wahl Ereignisse und Widerfahrnisse auf die eine oder andere Weise zu verstehen. Wir können die Sichtweise wechseln, Erlebnisse im Laufe des Lebens neu bewerten und verinnerlichen. Das ist eine erstaunliche Fähigkeit, die auch Glaube genannt werden könnte.
Sichtweisen auf das Leben gibt es viele, wohl so viele wie es Menschen auf der Erde gibt. Was um uns geschieht, was uns widerfährt und was wir tun, ist keineswegs eindeutig. Die Welt ist ein offenes Kunstwerk, das wir als Betrachter vollenden mit einer Deutung, die ganz unsere ist. Zu meinen, die eigene Erkenntnis sei letztlich die wahre für alle Menschen für alle Zeit, wäre wenig klug, denn die Zeiten ändern sich und die Menschen auch. Was einst passte, wird wenig passend sein für eine Ewigkeit. Eine neue Ansicht zu wählen kann hilfreich sein umständliches Leben leichter zu nehmen.
Was wir glauben, wie wir die Welt deuten und verstehen, hat eine Wirkung. Es wird einen Unterschied machen, ob ich die Eltern für meine Lebensprobleme verantwortlich zeichne, ihre Erziehung beklage und verurteile, oder ob ich glaube, sie haben es so gut gemacht wie es möglich war in ihrer Geschichte. Jetzt ist es meine Aufgabe Verantwortung zu übernehmen für mein Leben und die Folgen meines Handels tapfer zu tragen. Welche Deutung ich wähle, ändert nichts an der Vergangenheit, sehr wohl aber an Gegenwart und Zukunft.
Eine andere Vorstellung, keine Frage eine kuriose, schließt die Möglichkeit nicht aus, unsere Seele hätte sich genau jene Eltern ausgesucht, um ganz bestimmte Erfahrungen zu machen, die wichtig sind für uns, warum auch immer. Die Seele will alles kennenlernen, alle Facetten menschlichen Daseins ganz ohne moralische Wertung. Für manche wird das absurd klingen, zynisch, wenn das Leid groß war. Andere aber werden ihren Frieden finden in dieser eigentümlichen Weise Leben zu verstehen. Niemand muss es sich unnütz schwer machen. Wahrheit hat etwas mit Wirkung zu tun. Wahr könnte sein, was einen Hauch mehr Frieden und Geborgenheit gibt in einer oft als friedlos und unbehaust empfundenen Welt. Wahrheit hat viel mit Versöhnung zu tun. Versöhnung, die aus Erkenntnis geschieht, ist wunderbar.
Wer Lust hat sein Bewusstsein zu weiten für das Verstehen der Welt, wer seine Möglichkeiten mehren will Leben zu bewältigen, der sollte das Gespräch mit Menschen suchen, die die Welt ganz unglaublich verstehen. Ihre andere Sicht eröffnet die Freiheit zur Wahl. Haben wir die Wahl, sind wir lebendig. Schon gut, dass es die anderen gibt.
Linde Hasselmann meint
Lieber Klaus,
Deine Überlegungen regen immer zum Nachdenken, oft auch zum Umdenken an. Du bereicherst mich mit jedem Beitrag und dafür danke ich Dir,
Linde
Varda meint
Lieber Klaus,
Auch ich freue mich über Deine Texte und wünsche mir noch viel mehr davon. Es ist schön, dass Du deine Form und Deinen Stil gefunden hast. Ausserdem bin ich nach einigem Nachsinnen meistens Deiner Meinung, dieses Mal besonders, denn es gehört zu unseren Grundauffassungen, dass jeder so oder so die Ereignisse des Lebens deuten kann, das ist unsere Freiheit, eine der wenigen,die uns Menschen bleibt.
Gott lenkt, aber immerhin: der Mensch denkt! Aus der Perspektive der Seele hat beides seinen Ort.
Varda