Reinkarnation könnte die Idee sein mit der geringsten Unwahrscheinlichkeit. Könnte. Doch mit dem Glauben ist es so: Er lässt sich wenig beeindrucken von Wahrscheinlichkeiten.
Texte
Naturliebe
Ich wundere mich über Menschen, die am Menschen wenig Gutes finden. Von Natur aus sei er zum Bösen geneigt, so ihre bitterernste Herzensüberzeugung. Überraschend häufig ist dieses unerfreuliche Menschenbild unter Klima- und Naturschützern zu finden, wie mir scheint. In ihrem Denkmilieu ist der Mensch der Natur feindlich gesonnen. Er ist der Zerstörer der Erde und daher böse. Die Natur hingegen steht für das Gute und Erhabene, für das Schöne und Bemitleidenswerte. Sie ist Opfer menschlicher Schandtaten und muss vor dem Menschen geschützt werden.
Mit Vergnügen ließe sich darüber plaudern, ob ein Vulkanausbruch, ein Kometeneinschlag oder ein tödliches Virus,- zweifellos Ereignisse natürlicher Art – nicht Schandtaten der Natur am Menschen sind und ob die Bedrohung des Menschen durch die Natur nicht größer ist als umgekehrt. Auch ist die Trennung zwischen Natur und Mensch keineswegs eine alternativlose Idee, selbst wenn sie in unserem westlichen Kulturkreis als solche gilt. Der Mensch könnte auch Natur sein und die Natur Mensch. Das wäre ganzheitlich gedacht jenseits von Subjekt und Objekt. Aber so muss man nicht denken. Warum ich mich wundere über Menschen, die am Menschen wenig Gutes finden? Nun ja, ich frage mich, wie man sich selbst noch lieben kann als Mensch. Selbstbestrafung oder gar Selbstzerstörung wäre konsequent – der Natur zuliebe.
Maß aller Dinge
Für die Bewohner der Erde ist eines knall sicher: Leben auf der Sonne gibt es nicht! Viel zu heiß dort!
Gäbe es Bewohner der Sonne, wäre es ihnen eine drollige Idee, Leben auf der Erde zu vermuten: Viel zu kalt dort!
Immer das Gleiche: Wer sich selbst zum Maß aller Dinge macht, setzt dem Denkbaren enge Grenzen. Sich in Bescheidenheit üben, heißt maßlos zu werden.
Aufgepasst
Beschwere ich mich über kreischende Kinder im Café,
bin ich kinderfeindlich.
Weise ich hin auf einen Unterschied zwischen Mann und Frau,
bin ich ein Gegner der Gleichberechtigung.
Habe ich Zweifel an einem dritten Geschlecht,
bin ich intolerant.
Kritisiere ich die Politik Israels,
bin ich ein Antisemit.
Ist mir die Gendersprache zu kalt,
bin ich frauenfeindlich.
Äußere ich Bedenken zur Aufnahme von Flüchtlingen,
bin ich ein Rechter.
Verteidige ich die Bundeswehr,
bin ich ein Friedensfeind.
Esse ich gerne ein Stück Fleisch,
bin ich ein Mörder der Tiere.
Rüge ich die Presse, ihre Art zu informieren,
bin ich ein Verächter der Pressefreiheit.
Aufgepasst, es ist die Zeit der Eiferer!
Die haben Lust am schnellen Urteil.
Ausgesucht
Ich finde
weil ich nicht suche
und
was mich gefunden hat
ist
was mich suchte.
Jesus Licht der Welt
Lieber gehe ich meinen Weg im Dunkeln.
Klar, ich könnte anstoßen, stolpern,
gar stürzen und mich verletzen.
Unheimlich wäre mir im Finstern
und wohl fürchterlich ein wenig.
Gut möglich, dass ich mich verirre.
Dennoch,
meinen Weg gehe ich lieber im Dunkeln,
ganz ohne Licht.
Meinen Sinnen erscheint die Welt groß
im Finstern, ewig, weit, unentdeckt.
Vermutungen, Ahnungen, ein Verdacht,
so viel Zauber um mich herum.
Silhouetten, Umrisse, Schatten,
alles bleibt im Vagen.
Im Dunkeln ist Wahrheit
ein putziges Wort.
Bloß kein Licht anmachen!
Der Zauber würde verfliegen.
Licht macht blind für das Geheimnis.
Nur so groß wäre die Welt
wie der Schein des Lichtes reicht.
Trügerisch meine Erkenntnis
ist sie geboren aus Erleuchtung.
Bei Licht ist Wahrheit ein scheinbares Wort.
Meinen Weg gehe ich lieber im Dunkeln.